Ohne Titel

Mein liebes Kind, Du hauptbewehrtes,
Langentbehrtes, liebe-, lust- und glückverklärtes—
Wie wohl leb ich in Deinen Landen,
Seit zwischen uns die Straßen schwanden.

Kann wieder stiller Dinge Laut verstehn,
Auf dem Kopf durch Wände gehn.
Weil die Leute heute noch Geldsprachen sprechen,
Weil in alle Lüfte Fliegerteufel dringen,
Weil der Silberlinge blinde Diener Klingen schwingen,
Freie Vögel niedersingen, niederbringen und verschlingen,
Müssen Kinder bluten, Augen brechen.

Gut, daß Sachen über ihre Menschen lachen—

Verlorene Braut, Die

Vater und Kind gestorben
Ruhten im Grabe tief,
Die Mutter hatt' erworben
Seitdem ein ander Lieb.

Da droben auf dem Schlosse
Da schallt das Hochzeitsfest,
Da lacht's und wiehern Rosse,
Durch's Grün zieh'n bunte Gäst'.

Die Braut schaut' in's Gefilde
Noch einmal vom Altan,
Es sah so ernst und milde
Sie da der Abend an.

Rings waren schon verdunkelt
Die Täler und der Rhein,
In ihrem Brautschmuck funkelt
Nur noch der Abendschein.

Sie hörte Glocken gehen
Im weiten, tiefen Tal,

Gute Nacht!

Die Höh'n und Wälder schon steigen
Immer tiefer in's Abendgold,
Ein Vög'lein frägt in den Zweigen:
Ob es Liebchen grüßen sollt'?

O Vög'lein, du hast dich betrogen,
Sie wohnet nicht mehr im Tal,
Schwing' auf dich zum Himmelsbogen,
Grüß' sie droben zum Letztenmal!

Aufbruch

Silbern' Ströme zieh'n herunter,
Blumen schwanken fern und nah,
Ringsum regt sich's bunt und bunter—
Lenz! bist du schon wieder da?

»Reiter sind's, die blitzend ziehen,
Wie viel glänz'ger Ströme Lauf,
Fahnen, Liliengleich, erblühen,
Lerchenwirbel, Trommelwirbel
Wecken rings den Frühling auf.«

Horch! was hör' ich draußen klingen
Wild verlockend wie zur Jagd?
Ach, das Herz möcht' mir zerspringen,
Wie es jauchzt und weint und klagt.

»Und in Waldes grünen Hallen,
Tiefe Schauer in der Brust,

Tamerlan

Unwirtlich
Leben soll kommen.
Munter will ich es haben,
Munter von zuckenden Toden,
Denn das nur ist echt.
Reiche will ich zusammen mir reißen,
Wie einer, der friert,
Um sich versammelt die Decken.
Meinen kleinen häßlichen
Braunen Körper,
Den will ich verstecken
Unter tausend großblumigen Decken.
Die Blumen sind rot,
Die großen Blumen
Vom Blute der Männer.

Zugvögel ziehn in grauem Ernst,
Da stehst du, Walter, nun und lernst,
O vanitatum vanitas.
Die Jahre welken 's greise Haupt,

Georg Trakl

In dem Baum, der aufwärts wandert,
geht die Glocke ABEND unter,
bis zum Schatten blauer Tiefe,
die zur Seele singend spricht.

Dunkel wird in Dir das Feuer,
lichte Reise ahnt der Körper,
wiegt sich schluchzend über Wassern,
jenseits toter Lebensheimat.

Dämmert Dir die neue Weihe,
Schwinge führt zum stillen Reigen,
hoch und höher über allem
Wo, Warum und Wann und Wie.

Bann 4

Des Friedens Sonne sank, als wir geboren,
Ein Kriegsjahrhundert riß uns ins Getöse,
Früh ausgeliefert waren wir ans Böse,
Sodaß wir gleich die Jugendzeit verloren.

Drang irgendwann Musik an unsre Ohren,
Schon hob sich desto wütender das Böse,
Damit uns nichts vom ewigen Krieg erlöse—
Das Gute dennoch bleibt zum Sieg verschworen!

Doch diesen Sieg erst zwischen uns gewinnen!
Wir haben Feinde, sind wir Feinde innen,
Wir haben Krieg, sind unsre Kämpfe Schlachten—

Erst lernen wir: einander selbst zu achten!

Schwung

Ums Haupt Spiralenschwung durchschnellt
Die wüste Unzufriedenheit
Den Himmel—: heiß im schweren Kleid
Ihr Knie tost wie ein Feuerwurm—:

Und sie, zerfetztes Herz und Knie,
Tanzt—: schreit—: und kein zufriedener Held
Ist heilige Harmonie wie sie,
Wenn wüst ihr Feuer wächst im Sturm!

Jetzt

Wie erscheinen jetzt oft solche Stunden,
Da ich keines anderen Gesicht
Zu sehen ertrüge..

So lange hat sich keiner gefunden,
Mengte ich mich auch dicht
In alle Schwärme, alle Kreise, alle Züge..

Auch mein eignes Gesicht ist mir oft entwunden,
Will mich nicht,
Hält mich..und sich für lieblose Lüge..

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