Gelahmter Flug

Fragt Ihr mich, warum allein
Fort ich ziehe meine Straße,
Fern von mir die Freunde lasse?
Während Jeder auf den Wellen
Lustig treibt, im Rosenschein
Seiner Jugend, ich den hellen
Spiegel der besonnten Fluth
Und die fröhlichen Gesellen
Traurig meide?
All' mein Muth
Still verglommen in herbem Leide -?

Seht! wie durch die Lüfte hin,
Weiß gefiedert, dichte Schwärme
Wandervögel nach der Wärme
Einer mildern Sonne ziehn!
Horch! wie ihrer Flügel Schläge
Ungebahnte Wolkenwege
Rasch durchschiffen, und Gesang
Tönt den ganzen Zug entlang!

Einen nur seht Ihr aus Allen
Einsam wallen
Durch den heitern Raum der Luft;
Mühsam folgt sein matter Flug
Nur von fern dem lauten Zug;
Ob ihn auch die Stimme ruft
Seiner eilenden Genossen,
Ach, - ihm ist die Brust durchschossen
Und ein Pfeil lähmt seine Kraft!
Wie er sich auch aufgerafft,
Sehnsucht ihn auch lockt nach Süden,
Nimmer zeigt dem Schmerzensmüden
Sich das warme Hoffnungsland.
Weit vor ihm dehnt sich das Meer,
Und, eh' er erreicht den Strand,
Schon von Todesgraun bezwungen
Sinket er,
Und ihn hat die Fluth verschlungen.

Seht! so traf auch meine Brust
Mir ein Pfeil. Die herbe Wunde
Blutet, zehrt am Lebensmark.
Ich, der wie der Stärkste stark,
Einst mit Frohen ging im Bunde,
Sichern Todes mir bewußt,
Einsam weil' ich nun zur Stunde!
Fern vom frischen Strom der Lust,
Berg' ich mich im tiefsten Schatten,
Bis die matten
Glieder mir, dem Lebenssatten,
Löst der Tod! - Die mir gesendet
Einst den Pfeil, mir schlug die Wunde,
Hoffe nicht, daß ich gesunde;
Bald, daß meine Qual geendet,
Komme ihr gefäll'ge Kunde!

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