Von dem Teufel, dem die Hell Will zu eng Werden

Als ich an einer Samstagnacht
ging durch den Wald, gar unbedacht,
nach Geld hin gen der Neuen Stadt,
fast um den ersten Hahnenkraht,
sach ich im Holz gegen mir glimmern,
wie zwei Wolfsaugen feurig schimmern:
Mir graust'; ich tät das Kreuz für mich.
In dem kam auf mich urplüpflich
ein rabschwarzer, urlanger Mann
an einr Wegscheid und redt' mich an
und fragt', ob ich von Nürnberg wär.
Ich sagt: “Ich geh heut darvon her.”
Er fragt', ob ich ihm weisen künnt,
wo er die besten Werkleut fünd
von Steinmetzen und Zimmerleuten.
Ich sprach: “Die will ich Euch wohl deuten”,
doch daß er mir vor sagen sollt,
warzu er sie doch brauchen wollt.
Er sagt', wie er der Teufel wär.
Erst loff mir der Angstschweiß daher,
wollt mir Stiren und Brust bekreuzen.
Er sprach: “Laß dir vor mir nit scheuzen!
Auf Trauen will ich dir nichts tan.
Mein Bau will ich dir zeigen an.
Die Hell mir werden will zu eng,
weil die Seel so mit großem Dräng
gen Hell fahren aus allen Ländern,
von obern und von niedern Ständern,
von Reich- und Armen, Mann und Frauen.
Darum so muß ich lassen bauen
die Hell weiter um etlich Meil;
darum ich also lauf und eil
um Werkleut; es tät nie so not.”
Do dacht ich mir: O lieber Gott,
sei du Mittler zwischen uns beeden,
auf daß ich ihn müg überreden,
daß er ablaß von diesem Bau!
Ich fing ein Herz und sprach: “Nun schau!
Die Hell war zu Ulissis Zeit
gleich einem ganzen Lande weit,
doch weng heidnischer Seel darinnen:
Wie möcht die Hell dir jetz zerrinnen,
so wir schier alle Christen sein?
Unser fahren noch wenger drein!”
Der Teufel sprach: “Ihr seid entwicht,
halt die Lehr euers Glaubens nicht,
weder geistlich noch weltlich Stand;
durch all Küngreich, Provinz und Land
ihr Christen stecket voller Sünd.
Fragt, ob ich anderst sagen künnt!”
“Ja”, sprach ich, “du tust uns unrecht,
weil jetz das ganz christlich Gschlecht
ist wiederum zu Gott bekehrt,
weil man also predigt und lehrt
und das Volk zu der Buß vermahnt.
Schau erstlich an den geistling Stand,
wie Papst, Kardinäl und Bischof
jetz so demütig halten Hof,
als ob sie recht Apostel wärn:
Hochmuts und Prachts sie gar entbehrn;
sie führen weder Krieg noch Reis;
von Geldsammlen ihr' keiner weiß;
bei ihn' find man kein Simonei,
kein Irrtum noch kein Ketzerei;
und wo sie einen Ketzer finden,
mit heilger Schrift ihn überwinden.
Tag und Nacht sie fleißig studieren,
Gottes Wort treulich prädizieren,
halten streng ob Gottes Gebot,
leiden geduldiglich den Tod
ums Glaubens willen, und der Armen
tunt sie sich mildiglich erbarmen.
Kein Weibsbild sie auch nit berühren,
tunt gar ein englisch Leben führen.
Dergleich die glehrten Münch und Pfaffen
halten sich geistlich und rechtgschaffen:
Ein jeglicher hat nur ein Pfründ;
hin sind Menschengebot und -fünd;
bei ihn' ist kein Verführung mehr;
sie suchen allein Gottes Ehr;
all Gleisnerei ist abgelegt;
kein Spaltung sich bei ihn' mehr regt;
keiner mehr auf den andren sticht;
keinr sein Opinion verficht;
habn all einmütig einen Sinn;
kein Rott noch Sekt ist unter ihn';
Ehr, Wollust, Reichtum sie verachten
und nur nach dem Himmlischen trachten;
in summa sind s' durch gut Exempel
den Laien ein heiliger Tempel:
Darum laß ab von deinem Bauen!
Tu auf den weltling Stand auch schauen!
Erstlich Kunig, Fürsten und Herren
in Christenlanden weit und ferren,
die sind alle zu Fried geneiget;
keiner tyrannisch sich erzeiget;
Witwen und Waisen sie beschützen;
das Schwert der Grechtigkeit sie nützen,
strafen das Übel in dem Land;
durch Aufsätz bschweren sie niemand.
Ein End hat alle Schinderei,
Praktik und all Finanzerei;
sie sind der Armen Trost und Schild,
tunt ihn' kein Schaden mit dem Wild;
die Landstraßen halten s' all sauber;
man findet jetzund kein Straßrauber;
niemand darf jetz mehr nehmen Gleit;
treulich halten sie Brief und Eid
ihren Bundsgnossen und Reichsstätten,
das sie vor Jahren alls nicht täten.
Zu Hof leiden s' kein Schmeichler mehr;
die Ernholden halten s' in Ehr,
die Ritter, Grafen und dem Adel
anzeigen all Mangel und Tadel.
Frön und Aufsätz sie ringer machen;
fleißen sich adeliger Sachen;
leben von ihrm Einkummen bloß;
des sind sie all Turniersgenoß;
das bringt auf Erd Heil und Gelück,
daß ihr' gar weng gen Hellen fahren:
Des magst dein Bauen wohl ersparen.
Hör, wie frumm man in Städten sei!
All burgerliche Polizei
sind all auf gmeinen Nutz gericht.
Kein Eigennutz man spüret nicht;
die Münz man auf das beste schlägt;
niemand sie brichet oder schwächt;
niemand kein Wechsel darmit treibt;
in einem Wert sie täglich bleibt.
Schlecht geht es auch zu am Gericht;
Kein falschen Eid man schwöret nicht;
man braucht kein Aufzug, List und Ränk;
ohn Neid und Forcht, ohn Lieb und Schenk
schaut man auf die bloßen Wahrheit
und urteilt nach Gerechtigkeit.
Kein Fürkauf ist mehr in der Stadt;
allein der Gmein zu eim Vorrat
fürkauft man und gibt treulich hin
um ein ring und ziemlichen Gwinn.
Man findt auch keinen Wuchrer mehr;
allein leicht man durch Gottes Ehr
ohn allen Wucher und Aufsatz.
Auch hat Betrug gar nimmer Platz;
kein War fälschet der Kaufmann nicht,
geit recht Maß, Ellen und Gewicht;
keinen man jetz mehr überschnellt,
überrechnet noch überzählt.
Von keiner Lüg man auch mehr weißt;
man hält alles, was man verheißt.
Wer Bürg wird, leicht oder tut borgen,
darf um die Zahlung gar nit sorgen.
Jedermann hält Glauben und Trauen:
Des darfst der Hell nit weiter bauen!
Sich hält auch wohl der Handwerksmann:
Keiner feindt mehr den andren an;
einander kein Kunden absetzen,
das Gsind einander nit verhetzen;
kein bose Arbeit sie mehr machen,
erbeiten treulich in alln Sachen.
Trutz eim, der auch die Bauren schilt!
Sie geben Zehent, Steur und Gült
willig, gehorsam allesander,
sie neiden nimmer an einander;
was ihn' wächst, geben s' treulich hin
ahn Aufschlag mit einfälting Sinn;
unter ihn' findt man keinen Stürer,
Widerspenigen noch Aufrührer;
der Obrigkeit sind sie all hold:
Sag, wer gen Hell denn fahren sollt!
Dergleich sind jetz gut alle Eh;
kein Hader, Zank ist bei ihn' meh;
ein jedes Weib ist ihrem Mann
willig, gehorsam untertan;
die Kinder wohl aufzogen wern,
des folgen s' ihren Eltern gern,
sind gottsfürchtig, voll aller Tugend;
des ist jetz ein züchtige Jugend.
Die Jungfrauen sind still und züchtig,
einzogen, schamhaft, ehrentüchtig,
dergleich jetz alle Junggesellen
bescheiden und nach Ehren stellen.
Dergleich Ehalten, Maid und Knecht
dienen treulich, fleißig und recht.
Die Nachbaurn lebn ohn Neid und Haß.
Sag, wenn ist es gestanden baß?
Die gmein Frauhäuser sind abton;
auch läßt man die Fasnacht abgohn.
Die Wirtschaft hält man schlecht und mäßig,
nicht köstlich, schleckerhaft und gfräßig.
Man findt kein Ehbruch, Lieberei,
kein Zauberei noch Dieberei;
auch tut man nimmermehr zusaufen;
ab sind die Tänz und Kirchtaglaufen;
aus Hoffart kleidt sich auch niemand;
kein Verräter ist mehr im Land.
Zu Nacht ist's auf der Gassen still;
kein Fluch hört man mehr ob dem Spiel,
kein Unwilln, Zürnen noch Totschlagen.
Über das alles darf ich sagen
in summarum, daß arm und reich
brinnt alls in Gottes Lieb geleich
und tut ein jedes, als es wollt,
daß ihm von jem geschehen sollt;
sind lauter Christen rein und frumm;
darum in summa summarum
von Mund auf wir gen Himmel fahren:
Des magst dein Unkost wohl ersparen,
die Hell bhalten für Heidn und Türken,
die nicht Buß ihrer Sünden wirken;
für die ist weit genug dein Hell.
Darum von deinem Bau abstell!
Das beut ich dir in Christi Namen!”
Da wurd der Teufel sehr griesgramen
und blickt' mich grimmiglichen an,
sprach zu mir: “Du verlogner Mann,
du hast kein wahres Wort geredt!”
Tückisch er nach mir greifen tät.
Ich sprach: “Du hast mir geben Gleit,
trutz daß du mir halt tust ein Leid.
Die Ding ich wohl beweisen kann.”
Er sprach: “Bring zehen frummer Mann
bis Pfinztag nacht auf die Wegscheid!
Künnen s' bezeugen auf ihr Eid,
was du hie sagst, daß es wahr sei,
so sei quittledig, los und frei!
Auch will mein Bau ich fallen lassen.
Zeugen sie aber nicht dermaßen,
so will ich dich samt ihn' hinführen.”
Dem Teufel mußt ich bald anrühren,
zu tun ein solchen schweren Stand.
Im Augenblick der Geist verschwand,
ließ mich erschrocken einig stehn.
Nach dem ward gleich der Tag aufgehn,
daß ich kam wieder zu den Leuten,
da ich mein Handel tät bedeuten;
und wo ich suchet Hilf und Rat,
frumm, ehrber Leut zu zeugen bat,
sagten sie all, ich hätt nit wahr.
Also bin ich wohl zehen Jahr
umgangen seit mit diesen Dingen
und kunnt kein Zeugen nie aufbringen.
Sie sagten all, ich hab gelogen
und die Wahrheit zu hart gebogen.
Weil ich kein Zeugen stellen mag,
so hab ich auf den Jüngsten Tag
die schweren Zeugnus appalliert,
da ganz menschlich Geschlecht denn wird
kummen für das letzt streng Gericht.
Da bin ich guter Zuversicht,
wir Christen werden allgemein
von allen Sünden frumm und rein
erscheinen, doch aus lauter Gnad
Christi, der durch des Taufes Bad
uns hat eingeleibt seinem Tod
und uns versühnet all mit Gott,
die Sünd und Helle überwunden,
den Satan gfangen und gebunden,
erlöset uns alls Ungemachs.
Wer glaubt, wird selig, spricht Hans Sachs.
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